Landratsamt (11.01.2019) Drei von vier Menschen haben den letzten Wunsch, zu Hause zu sterben, in den vier Wänden, in denen sie gelebt haben. Aber nur jedem Fünften (20 Prozent) wird dieser Wunsch erfüllt, 46 Prozent starben in Deutschland im Jahr 2013 in Krankenhäusern, 31 Prozent in Heimen:
Diese erschütternden Informationen legte Kunibert Herzing dar, der Vorsitzende des Hospizvereins Landshut, im Rahmen eines Austauschtreffens des „Impuls-Netzwerks Senioren“. Unter der Leitung der Seniorenbeauftragten des Landkreises, Janine Bertram, diskutierten Mitglieder des Netzwerks vor allem Themen der
ambulanten Hospiz- und Palliativ-Versorgung.
Bei dem Treffen im Kleinen Sitzungssaal des Landratsamts standen Hilfestellungen für Schwerstkranke und Sterbende, aber auch für ihre Angehörigen im Mittelpunkt. Es wurden Fragen behandelt, die heute häufig gesellschaftlich mit Tabus belegt sind.
Dies sprach auch stellvertretender Landrat Fritz Wittmann an, der in seinem Grußwort den Mitgliedern des Netzwerks für ihr großes Engagement dankte.
Tagen mehr Leben geben
Die Hospiz-Bewegung sehe er als „Gegengewicht zur Apparate-Medizin“ an, betonte Wittmann. Die menschlich so wertvolle Arbeit verlange den Helfern viel Kraft ab. Sie ermögliche Schwerkranken einen Abschied vom Leben in Würde bis zum letzten Atemzug, sagte er mit Verweis auf ein Erlebnis in seinem persönlichen Umfeld.
Kunibert Herzing gab in seinem Vortrag einen Überblick über die Wurzeln und die Entwicklung der modernen Hospiz-Bewegung. Er schilderte das Wirken der
britischen Ärztin und Krankenschwester Cicely Saunders, die in den 1960-er Jahren die Grundlagen einer ganzheitlichen Betreuung und Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen entwickelt hat – das ganzheitliche „Total-Pain-Konzept“, das Leiden auf körperlicher, psychischer, sozialer und geistiger Ebene in den Blick nimmt.
Im Jahr 1967 hat Saunders das erste Hospiz gegründet – „basierend auf der Erfahrung, dass sich das Umfeld abwendet, wenn es von unheilbaren Krankheiten
bei Mitmenschen erfährt“, wie Herzing ausführte. Mit der Hospiz- und Palliativ-Pflege wolle man „Patienten wie in einen Mantel hüllen, sie in schweren Stunden wärmen und schützen“, sagte der Referent. Die palliative Behandlung diene daher in erster Linie dazu, die Lebensqualität der erkrankten Menschen, aber auch ihrer Angehörigen zu verbessern – gemäß dem Leitsatz „nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben“.
Reden, lachen und weinen
Den Patienten und ihren Angehörigen greifen in der Region Landshut die Anbieter von ambulanten Hilfen bei der Palliativ-Versorgung unter die Arme. Petra Vilser
(Brückenpflege Landshut) erläuterte, dass ihr Verein Hausärzte, Pflegedienst-Mitarbeiter und Angehörige bei speziellen palliativ-medizinischen Fragestellungen
beratend unterstütze. Zum Beispiel über Möglichkeiten, Schmerzen und Beschwerden zu lindern. Die Brückenpflege finanziere sich durch Spenden, sei keiner Behörde Rechenschaft schuldig. Daher habe man „Zeit, mit den Erkrankten und deren Angehörigen zu reden, zu lachen und auch zu weinen“, schilderte sie sehr
anschaulich.
Mit einem multiprofessionellen Team betreue die SAPV (Spezialisierte ambulante Palliativ-Versorgung, Adiuvantes-SAPV-GmbH) schwerstkranke und sterbende
Patienten in ihrem Zuhause, führten Dr. Michael Sohm und Martin Kalteis aus. Die SAPV-Repräsentanten erklärten, die Fachleute des Teams arbeiteten nach dem Grundsatz „dabei sein – so lange und häufig wie nötig, so selten und kurz wie möglich“. SAPV unterhält eine 24-Stunden-Rufbereitschaft, leistet unter anderem psychotherapeutische Unterstützung von Patienten und Angehörigen sowie Schmerz-Therapien einschließlich der Einstellung und Versorgung von
Schmerzpumpen und koordiniert Ernährung und Medikamentengabe.
Vorurteile überwinden
Den im Jahr 2010 gegründeten Hospizverein Vilsbiburg und seine Arbeit stellte dessen 1. Vorsitzende Brigitte Graßer vor. Der Verein zählt rund 180 Mitglieder. Die 40 aktiven ehrenamtlichen Begleiter des Vereins stehen Schwerstkranken, Sterbenden und deren Angehörigen zur Seite. Die Verbandsarbeit umfasst auch die Aus- und Fortbildung von Hospizbegleitern, die Information der breiten Öffentlichkeit, Trauerbegleitung durch vier aktive Trauerbegleiter, themenbezogene Trauertreffs und Trauerwanderungen, zum Beispiel zu Kapellen. Die Hospizbegleiter sind im Hospiz in Vilsbiburg, in sechs Senioren-Heimen und bei Familien zu Hause im Einsatz.
Den Vorträgen schloss sich eine sehr rege Diskussion an. Dabei wurde vor allem darüber gesprochen, wie das Impuls-Netzwerk Senioren den Themenkomplex
Hospiz- und Palliativ-Versorgung stärkere Beachtung in der breiten Öffentlichkeit verleihen kann, besonders mit Blick darauf, Vorurteile abzubauen und zu überwinden und Ängste zu nehmen.
Im Bild oben: Sie referierten und diskutierten mit beim Treffen des Impuls-Netzwerks Senioren im Landratsamt Landshut, von links: Stellvertretender Landrat Fritz Wittmann, die Seniorenbeauftragte des Landkreises Landshut Janine Bertram, Dr. Michael Sohm (Spezialisierte Ambulante Palliativ-Versorgung, SAPV), Brigitte Graßer (Vorsitzende des Hospizvereins Vilsbiburg), Petra Vilser (Brückenpflege Landshut), Kunibert Herzing (Vorsitzender Hospizverein Landshut) und Martin Kalteis (SAPV)