Landshut. Die Meldung des Tages traf per E-Mail am Dienstag um 23.16 Uhr ein. Prof. Dr. Christoph Zeitler (Jahrgang 1960) kündigt dabei seinen sofortigen Austritt aus der FDP an und er teilt mit, dass er 2014 nicht mehr für den Stadtrat kandidieren will. Prof. Dr. Zeitler will den Rest der laufenden Stadtratsperiode (bis 30.4.2014) jedoch als parteiloser Stadtrat in der FDP-Fraktion (mit Stadträtin Dr. Maria Fick und Stadtrat Norbert Hoffmann) tätig bleiben. Im Bild Zeitler als OB-Kandidat 2010 mit Titelverteidiger Hans Rampf. Dr. Zeitler tritt demnach auch nicht als Bundestagskandidat für die Wahl am 22. September an. - Nachfolgend die ausführliche Partei-Austritts-Erklärung von Prof. Zeitler, der allein bundes- und landespolitische Gründe anführt. Lokalpolitische Gründe gab es keine.
PRESSEMITTEILUNG ZEITLER: FDP-AUSTRITT UND VERZICHT AUF ERNEUTE KANDIDATUR FÜR DEN STADTRAT
Prof. Dr. Christoph Zeitler gibt in der folgenden persönlichen Stellungnahme seinen Austritt aus der FDP und die Gründe hierfür bekannt.
„Ich habe mich schweren Herzens dazu entschlossen, die FDP nach 11-jähriger Mitgliedschaft zu verlassen. Damit enden auch alle meine Parteiämter, wie etwa als Vorsitzender der Stadt-FDP, Vize- Vorsitzender der FDP Niederbayern sowie als Mitglied des Landesvorstands der Bayern-FDP mit sofortiger Wirkung. Mein Austritt hat nahezu ausschließlich bundespolitische Gründe.
Die FDP auf Bundesebene hat durch den Bruch der Wahlversprechen, vor allem bei der Steuerpolitik, ihre Glaubwürdigkeit verloren. Allen Ankündigungen zum Trotz wurde nichts durchgesetzt, um ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem zu erreichen. Im Wahlprogramm für die kommende Bundestagswahl fehlt ein klares Bekenntnis zu Steuersenkungen. Und dies trotz sprudelnder Steuereinnahmen, erhöhter Sozialausgaben sowie anscheinend unbegrenzt vorhandener Finanzmittel für die verfehlte Euro-Rettungspolitik.
Euro-Rettungspolitik: "Verstoß gegen alle liberalen Prinzipien"
Auch die überstürzte Energiewende, die dem Bürger durch inzwischen explodierende Strompreise das Geld aus der Tasche zieht, habe ich von Beginn an für den falschen Weg gehalten. Ein klares Nein der FDP in der Bundesregierung hierzu ist stets ausgeblieben. Vor allem bin ich aber enttäuscht über das Mitmachen der FDP bei der Euro-Rettungspolitik, bei der Zockerbanken und Pleitestaaten in Europa „gerettet" werden sollen. Diese Politik verstößt gegen alle liberalen Prinzipien der FDP, gegen den Rechtsstaat, die Marktwirtschaft sowie gegen Haftung und Eigenverantwortung.
Selbst habe ich im Mitgliederentscheid der FDP mit großer Leidenschaft gegen die Rettungsschirme und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) bayernweit in zahlreichen Veranstaltungen gekämpft. Leider sind wir damals in der FDP knapp unterlegen. Seitdem sind aber weitere selbst gesetzte „rote Linien" überschritten worden. Der unbegrenzte Ankauf von Schuldenpapieren aus Krisenstaaten durch die Europäische Zentralbank (EZB) sowie die Rettung des – nicht systemrelevanten - Zypern sind unentschuldbare Sündenfälle, denen die FDP zugestimmt hat.
Diese unverantwortliche Politik, die in einer Schuldenunion mit einer gigantischen Staatsverschuldung und Enteignung des Sparers enden wird sowie Europa spaltet, kann ich nicht mehr ohne Konsequenzen zuschauen. Künftigen Generationen werden wir einen politischen Scherbenhaufen hinterlassen. Hinzu kommt das kürzlich beschlossene Ja der FDP zu einem Mindestlohn light, womit erneut eine lang vertretene eindeutige liberale Grundsatzposition aus rein wahltaktischen Gründen aufgegeben wurde.
"180-Grad-Wende bei den Studiengebühren"
Als ehemaliger hochschulpolitischer Sprecher der Bayern-FDP war es für mich auch in höchstem Maße überraschend und unglaubwürdig mitzuverfolgen, in welch rasanter Geschwindigkeit die bayerische FDP eine 180- Grad-Wende beim Volksentscheid gegen die Studiengebühren vollzogen hat. Mit Überzeugung lang vertretene Grundsätze nur deshalb aufzugeben, um keine Regierungsposten und politische Macht zu verlieren, sind der falsche Weg. Dies erhöht nur weiter die wachsende Politiker- und Parteienverdrossenheit.
Ich bedauere es sehr, dass die FDP ihr unverwechselbares Profil als einzige liberale und freiheitliche Partei in Deutschland verloren hat und sich damit selbst als Wahlalternative überflüssig macht.
Für eine fünfte sozialistische oder sozialdemokratische Partei besteht aber in Deutschland weder ein Bedarf noch eine Notwendigkeit. Was Deutschland braucht ist eine echte, konsequente Freiheitspartei.
Mein Austritt aus der FDP hat keinerlei Beweggründe, die auf der lokalen Ebene liegen. Deshalb wünsche ich der Landshuter FDP auch weiterhin (politischen) Erfolg und bedanke mich ausdrücklich bei allen Mitstreitern, mit denen ich in den vergangenen Jahren mit Leidenschaft für die liberale Sache und mehr Freiheit vor Ort gekämpft habe. Unabhängig von meinem Austritt aus der FDP habe ich bereits seit längerem für mich die Entscheidung getroffen, nach sechs Jahren mit hohem – auch zeitlichen - Engagement zum Wohle der Stadt nicht erneut für den Stadtrat zu kandidieren. Ich will als parteiloser Stadtrat die restliche Stadtratsperiode (bis Ende April 2014 - Anm. d. Red.) in der FDP-Stadtratsfraktion tätig bleiben.
Anmerkung der Redaktion:
Die Amtsgeschäfte der Landshuter FDP führen ab sofort wohl die beiden stellvertretenden Vorsitzenden Jürgen Wachter und Marco Altinger weiter. Sie werden alsbald eine Kreisversammlung zur Wahl eines neuen 1. Vorsitzenden einberufen.
Die FDP braucht im Wahlkreis Landshut-Kelheim auch einen neuen Bundestagskandidaten für die Wahl am 22. September. Prof. Dr. Zeitler erzielte 2009 in Landshut Stadt sehr beachtliche 16.23 Prozent, mehr als die Bundestagskandidaten von SPD (Unfried), den Grünen (Dr. Gambke) und den Linken (Möller).
Bei der OB-Wahl 2010 mußte sich Prof. Zeitler als FDP-Kandidat mit 1,58 Prozent zufrieden geben. Er forderte in diesem Wahlkampf vor allem eine konsequentere Sparpolitik von der Stadt. Sein ständiges Credo im Stadtrat lautet hierzu: Die Stadt habe kein Einnahme-, sondern ein Ausgaben-Problem. Sie nehme zwar reichlich Steuern ein, aber sie gebe zu viel aus.
Bei der letzten Stadtratswahl 2008 war der Hochschullehrer Prof. Dr. Zeilter als Listenführer jedoch sehr erfolgreich und erreichte für die FDP 6,3 Prozent und damit erstmals Fraktionsstärke (3 Stadtratssitze).
Für die Landshuter FDP wird es sehr schwer werden, einen ähnlich erfolgreichen neuen Partei-Vorsitzenden und Listenführer für die Stadtratswahl am 16. März 214 zu finden. /hs
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