Die Veranstalter schätzen auf 800 Traktoren und 1.000 Teilnehmer bei der zentralen Kundgebung auf dem Messegelände. - Fotos: W. Götz
Landshut – gw (11.01.2024) Kfz-Steuer-Befreiung und Agrardieselsubventionierung - Das "Weihnachtgeschenk" der Berliner Regierung an die Landwirte das alles zu streichen war heftig, zu heftig und sorgte für einen Sturm der Entrüstung. Am Montag begannen die Bauern ihren Frust öffentlich auf die Straße zu bringen. Mit blockierten Autobahnen und Kreuzungen sorgten sie für Stau und bundesweite Aufmerksamkeit. Am Messepark trat der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger auf die Bühne. Seine Sorge galt dem Berufsstand der Landwirtschaft, deren Zukunft und Existenz.
Schon am frühen Morgen begann der Protest am Kupfer- und Kaserneneck. Mit ihren Traktoren blockierten die Landwirte diese viel befahrenen Kreuzungen immer wieder, um den Verkehr zum Stillstand zu bringen. Die Autofahrer waren gut vorbereitet, verzichteten auf Fahrten oder umfuhren die neuralgischen Punkte. Die Behinderungen am Kupfereck hielten sich in Grenzen. Ein Einsatzfahrzeug der Maltheser mit Blaulicht konnte problemlos passieren. Vielmehr hatten Fußgänger mit dem vereisten Gehweg entlang der Wittstraße vorm ALDI ihr Problem.
Am Kupfereck sorgten die Landwirte für minutenlange Wartezeiten, bis der Verkehr wieder fließen konnte.
Weit intensiver waren die Verkehrsbehinderungen an den Auffahrten zur A92, der Autobahn, der B15 und B11 bzw. in Niederviehbach oder Wallersdorf, wo Kreisverkehre dicht gemacht wurden und Autofahrern für einen zehn Kilometer lange Strecke teilweise eine Stunde und mehr investieren mussten. In Landshut war dann auf zehn Uhr alles rund um die Niedermayerstraße dicht, als sich der Traktor-Treck zum Messegelände zur zentralen Kundgebung bewegte. Fußgänger waren gut doppelt so schneller unterwegs als der motorisierte Individualverkehr.
Die Bauern haben eindrucksvoll gezeigt, welche Macht in ihnen steckt, wenn sie die Schnauze voll haben. Wenn die Bauern sagen „jetzt reichts“, dann geht auf der Straße nichts mehr, ähnlich den Lokführer, die für bessere Arbeitszeiten kämpfen. Dann geht auf der Schiene nichts mehr. Eine machtvolle Protestkultur mit höchster medialer Aufmerksamkeit und dem klaren Kalkül ihre Positionen mit aller Deutlichkeit zu demonstrieren.
Auf der B15/B11 gaben die Traktoren die Geschwindigkeit stadteinwärts vor. - Foto: privat
Bei den Landwirten hat die Berliner Regierung schon vor den Protesten nachgegeben. Die Kfz-Steuerbefreiung bleibt, die Dieselsubventionierung soll häppchenweise abgeschafft werden. Zum Vergleich: Europäische Länder können bis zu 46 Cent der Dieselsteuer rückerstatten, in Deutschland sind es 21 Cent. Wenn dies wegfällt, werden deutliche Wettbewerbsnachteile erwartet. Doch es geht um weit mehr, als diese 21 Cent. Im Kern geht es um eine seit Jahrzehnten verkorkste Landwirtschaftspolitik, ähnlich dem permanenten Reformgestopsel in der Gesundheitspolitik.
Hubert Aiwanger nutzte die Lkw-Bühne auf dem Messepark für seinen Auftritt, um den Landwirten zu danken: Danke dass ihr so hart arbeitet. Heute steht das Volk da, welches nicht randaliert und keine Polizeiautos abfackelt. Hier stehen die working-People, die keine Schaufenster einschmeißen. Die Ampel beschädigt die Bauern, nicht die Bauern die Ampel „Die Ampel muss weg“. Danke euch Bauern für eure Arbeit, Gott beschütze euch. Weitere Worte Aiwangers galten dem Bürgergeld, illegalen Migranten sowie Krediten und Zuwendungen für Radwege in Peru.
Hubert Aiwanger gab sich als der Mann der klaren Worte, des Volkes und der Landwirte.
Mit einer Rede voller Argumente trat Christoph Huber, stellvertretender Vorstand des LSV (Landwirtschaft verbindet Bayern e.V. ) vor die rund 1.000 versammelten Landwirte unter denen auch Spediteure, Bäcker und Metzger waren. „Ich glaube, wir sind zu spät auf der Straße, wir müssen provozieren, dass die Leute aufwachen und auf uns aufmerksam werden“, leitete er seine Worte ein. Huber verteidigte den Erhalt der Agrardieselsubvention und die dauerhafte Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge. Sollte sich das ändern, werden die Maschinen halt immer wieder ab- bzw. abgemeldet, wenn sie gebraucht werden, was dann zu einem immensen Aufwand in der Verwaltung führt.
Christoph Huber kritisierte die verfehlte Agrarpolitik in der EU und ideologische Politik in Deutschland. Die Pauschalisierung, Gewinnglättung, das Mercur-Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Staaten des MERCOSUR – Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Viele politische Entscheidungen sind nicht mehr tragbar. Vielmehr plädierte Huber für eine 100-prozentige Herkunftskennzeichnung regionaler Produkte, den Erhalt regenerativer, dezentraler Energien und eine breitflächige Versorgung mit regionalen Lebensmitteln, anstatt Importen, die die Standards der heimischen Landwirtschaft untergraben.
Neben Hubert Aiwanger, Christoph Huber (4. v. r.) und Georg Sachsenhauser( 3. v. r.) sprachen auch DEHOGA-Bezirksvorsitzende Rose Marie Wenzel (l.), CSU-MdL Perta Högl (2. v. r.) sowie FW-MdL Jutta Widmann (r.).
Einen längeren Absatz widmete der stellvertretende Vorstand des LSV der ausufernden Bürokratie, in der für alles mögliche Formulare, immer wiederkehrende Schulungsnachweise, Berichtshefte oder seitenlange Anträge eingefordert werden. Dass diese enorm zeitintensiven Belastungen Landwirte am Schreibtisch fesseln, anstatt ihrer Kernarbeit nach gehen zu können, versteht selbstredend jeder. Man möge sich vorstellen, womit ein Landwirt konfrontiert wird, der eine Biokuh auf einer Streuobstwiese am Gewässerrandstreifen grasen lässt.
In medias res ging auch Georg Sachsenhauser, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) mit all dem, was den Landwirten auf dem Schuh drückt. Die Margen im Lebensmittelhandel steigen, aber die Bauern bekommen weniger. Viel zu groß ist die Marktmacht von ALDI, EDEKA, REWE und Co, wenn es um faire Preisverhandlungen geht. So könnte die Landwirtschaft auch klimaneutral fahren, aber 2007 wurde unter der schwarz-roten-Regierung Rapsdiesel besteuert, was seiner Meinung nach rückgängig gemacht werden soll.
Sachsenhauser erinnerte an die Coronazeit, als Landwirtschaft als systemrelevant galt, aber jetzt mehr und mehr ruiniert wird. Permanent neue Anbau- oder Tierhaltungsregelungen erschweren langfristige Investitionen in die Betriebe und kosten Geld. Wer heute einen Stall baut, weiß nicht, ob er ihn in einigen Jahren noch betreiben kann, weil neue Gesetzte und Vorschriften kommen.
Überdeutlich zeigten die Landwirte ihren Frust gegen die Ampel-Regierung.
Die Ampel ist schuld und die Grünen sowieso. Die Mehrzahl der Transparente an den landwirtschaftlichen Zugmaschinen trugen Parolen wie „Die Ampel muss weg“. Früher hieß es „Merkel muss weg“. Dies begann mit den rechts unterwanderten Pegida-Demonstrationen (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) im Oktober 2014 in Dresden. „Merkel muss weg“ brannte sich samt „Lügenpresse“ ein und wurden zum Synonym einer neuen Protestkultur. Nachdem Merkel weg war, wurden die Schilder umgeschrieben auf „Die Ampel muss weg“. So hat sich eine Protestkultur entwickelt bei der immer die Regierung weg muss. Sollte die Ampel weg sein, werden die Schilder neu geschrieben, auf immer das, was weg muss: Die Regierung. „Putzmussweg“ war bei den Montagsspaziergängern in der Landshuter Innenstadt vor gut einer Woche zu lesen.
Nationale Symbole, ernste Gesichter und der all gegenwärtige Slogan, wer derzeit weg muss.
Hubert Aiwanger betonte wiederholt, dass linke Politiker und linke Medien die Landwirte unter rechten Generalverdacht stellen wollen, obwohl sich diese von Einflüssen aus rechten Gesinnungen oder Tag-X-Herbeischwörern klar distanzieren. Doch diese Distanz wird mehr und mehr gekapert von Ideologen, die die Bauernproteste auf ihre Seite ziehen wollen, wie das Beispiel von Bernd T. Dreyer, Hauptorganisator der Landshuter Montagsspaziergänge, bei seiner Rede am 1. Januar zeigte.
Bernd T. Dreyer sprach, dass es ihn freut, wie Landwirte in Augsburg eine breite Bürgerfront mit dem Bürgerforum Schwaben, den dortigen Montagsspaziergängern oder auch denen, die während der Coronamaßnahmen auf die Straße gingen, bilden. Er würde sich wünschen, dass das auch in Landshut in Niederbayern gelingen könne. „Also Landwirte wir stehen bereit, wir haben drei Jahre Erfahrung in wöchentlichen Protestaktionen, also schließt euch uns an, wir können eine Querfront mit euch gut gebrauchen, dass wird ein Zeichen setzen gegen diese Politik.“