Geschäftsführer Jerry C. (58) mit Rechtsanwältin Johanna Braun. - Fotos: Josef König
Landshut - pm (19.09.2023) Kurzer Prozess: Das Amtsgericht Landshut hat am Montag nach wenigen Minuten die Verhandlung gegen den Geschäftsführer von zwei Filialen von „Hanf – der etwas andere Bioladen“ ausgesetzt. Jerry C. (58) war wegen Verstosses gegen §29 BtMG angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm wegen des Verkaufes von Hanftee und Hanf-Öl mit geringem THC-Gehalt „Drogenhandel“ vor (AZ 01 Ls 505 Js 37366/20).
Die Münchner Rechtsanwältin Johanna Braun hat den Prozess gestoppt, ehe der Staatsanwalt die Anklage verlesen konnte. Mit zwei Anträgen forderte die Verteidigerin von Jerry C. das Verfahren auszusetzen. Wegen der „Bedeutung“ der Anklage rügte sie die Unzuständigkeit des Amtsgerichts Landshut in der Zusammensetzung als einfaches Schöffengericht. Sie beantragte, das Verfahren vor dem Landgericht Landshut, hilfsweise vor einem erweiterten Schöffengericht am Amtsgericht zu verhandeln.
Falsches Gericht
Die Staatsanwaltschaft habe „irrig“ die Zuständigkeit des Amtsgerichts angenommen. „Dieser Fall hebt sich deutlich aus der Masse der durchschnittlichen Fälle nach oben ab.“ Allein einer großen Strafkammer obliege in einem solchen Fall die Entscheidung. Das grundgesetzlich garantierte Recht auf einen „gesetzlichen Richter“ werde andernfalls verletzt, so die Verteidigerin.
Rechtsgespräch gescheitert: Richter Christian Lederhofer hatte im Gespräch mit Staatsanwalt Matthias Zweck die Einstellung nach § 153 (geringe Schuld) angeregt. Rechtsanwältin Johanna Braun lehnte ab: „Wir wollen die Klärung.“
Das Verfahren hat nach Ansicht der Verteidigerin eine „besondere Bedeutung“, da der Mandant mehrere Hanffilialen betreibe. Derzeit gehe es um 17 Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen. Die Staatsanwaltschaft München II habe ein Angebot der Verfahrenseinstellung nach §153a der Strafprozessordnung gegen Zustimmung zur Einziehung ohne weitere Auflagen gemacht. Hanftee werde in Supermärkten, Drogerieketten und auf Jahrmärkten verkauft. Große Handelsketten seien von den Ermittlungsbehörden „praktisch nicht behelligt“ worden. Das Unternehmen des Mandanten sei in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht. Die Berufsausübungsfreiheit des Mandanten beschränkt.
Warten auf Cannabis-Gesetz: Mandant straffrei
Die Verteidigerin von C. beantragte weiter, das Verfahren bis zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur Legalisierung von Cannabis auszusetzen. Es sei zu erwarten, dass CBD-Produkte und solche mit einem unter dem Grenzwert liegenden THC-haltigen Produkte erfasst sein werden, indem diese gar nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz unterfallen. Bei einer Gesetzesänderung nach Beendigung einer Tat sei das mildeste Gesetz anzuwenden, sodass der Mandant straffrei wäre. Es mache keinen Sinn, das Verfahren in aller Schnelle durchzupeitschen.
Im Vorfeld der Verhandlung hatte Richter Christian Lederhofer im Gespräch mit Staatsanwalt Matthias Zweck und Rechtsanwältin Johanna Braun die Einstellung nach § 153 (geringe Schuld) angeregt. Die Verteidigerin von Jerry C. lehnte ab: „Wir wollen die Klärung des Verfahrens.“
Richter Christian Lederhofer als Vorsitzender des Schöffengerichtes mit zwei Schöffen verkündete: „Das Hauptverfahren wird bis auf weiteres ausgesetzt. Weitere Entscheidungen ergehen schriftlich.“ Vor 2024 ist nach Auskunft von Rechtsanwältin Johanna Braun nicht mit einem weiteren Verfahren zu rechnen.
Undercover-Ermittlungen um Hanftee
Zur Vorgeschichte: Die Ermittlungsbehörden hatten Anfang Februar 2021 zu gleicher Zeit den Hanfläden in der Landshuter Theaterstraße 61 und in der Ingolstädter Theresienstraße 28 einen Besuch abgestattet. Vorausgegangen waren Undervocer-Ermittlungen. Ein nicht öffentlich ermittelnder Polizeibeamter, so heißt es im Durchsuchungsbeschluss, habe im Landshuter Laden 150 Gramm Hanfblüten eingekauft. Nach Auffassung des Ermittlungsrichters handelt es sich bei den Tees um Cannabis-Pflanzenteile, „deren Verkauf nicht gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, sonderndem Konsum durch den Endverbraucher“. Vorgeworfen wird den Mitarbeitern „unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach §29 Abs. 1 Ziff.1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG).
Verschwendung von Steuermittel
Hanfaktivist Wenzel Cerveny, Gründer der Ladenkette „Hanf – der etwas andere Hanfladen“, wirft den Ermittlungsbehörden Schikane und Verschwendung von Steuermittel vor. Bei den beschlagnahmten Hanfteeblüten im Wert von 1.000 Euro je Laden handle es sich um Importware, die auf Basis von in der EU-zugelassenen Hanfsorten aufbereitet wurde. Deren Gehalt an der psychoaktiven Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) überschreite nie den erlaubten Grenzwert von 0,2 %, so Wenzel Cerveny. „Polizei und Justiz im Freistaat Bayern handeln gegen EU-Recht und betreiben eine Hexenjagd“, warf der Ladengründer den Ermittlern vor.