In der von Thomas Jackermeier gegründeten Endor AG, die Fanatec an die Börse gebracht hat, geht es um eine Übernahme inklusive „StaRUG“ durch die amerikanische Marke Corsair, ein finanzielles Debakel sämtlicher Aktionäre und von Thomas Jackermeier selbst. - Fotos: W. Götz
Landshut – pm (11.05.2024) Seit Monaten spielt sich in Landshut ein Wirtschaftskrimi ab. Dabei geht es um die Endor AG und die Firma Fanatec. Endor wurde 1997 durch Thomas Jackermeier gegründet und spezialisierte sich auf Zubehör wie Controller, Rennlenkräder, Pedale und Cockpits, um virtuell Autorennen zu fahren. Verkauft wurden die Produkte unter dem Namen Fanatec, sie fanden weltweit ihre Kunden und erreichten einen Umsatz im dreistelligen Millionenbereich. Die Aktie entwickelte sich prächtig. Nun tobt ein Machtkampf in und um Endor, der für Aktionäre einen Komplettverlust bedeuten kann.
Thomas Jackermeier, Sohn von Josef Jackermeier, der in den 60er Jahren das Mercedes-Benz-Autohaus in der Liebigstraße gründete, machte sein Hobby zum Beruf. Dabei geht es um virtuelle Rennspiele, auf SimRacing genannt. Die hochwertigen Produkte fanden schnell in Europa, Nordamerika, Asien und Australien ihre Kunden.
Es folgte ein grandioser Aufstieg. Aus einer kleinen Bude wurde ein weltweit agierendes Unternehmen. Lag der Umsatz beim Börsengang 2006 noch bei 0,9 Millionen Euro, verzehnfachte er sich bis 2020 auf 90 Millionen Euro. 2022 stieg er auf satten 119 Millionen Euro. Die für einen Euro ausgegebenen Aktien erreichten im Juli 2021 ihren Maximalwert von 23 Euro. Seitdem kennt das Wertpapier nur noch einen Weg. Den Absturz in den Börsenkeller.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Coronazeiten verhalfen mit ihren Lockdowns den Fanatec-Produkten einen reißenden Absatz. Danach folgte die Marktsättigung und Ernüchterung. Gleichzeitig wurden die benötigten Chips auf dem Weltmarkt knapp. Fanatec schloss Lieferverträge für die begehrten Elektronikbauteile mit mehreren Herstellern. Jetzt sind die Lager voll mit Chips die nicht benötigt, aber zu hohen Preisen bezahlt werden müssen. Dazu gesellten sich Probleme im Vertrieb und der Kundenkommunikation.
Plötzlich war bei Endor die Kasse leer. Mit Bankkrediten konnte sich das Unternehmen über Wasser halten. Am 26. April diesen Jahres wurde ein Kapitalbedarf von 25 Millionen Euro genannt, obwohl im ersten Quartal 2024 beachtliche Umsätze und Gewinne eingefahren wurden.
Auf 30 Millionen werden die Baukosten für die neue Endor/Fanatec Firmenzentrale im Gewerbegebiet Münchnerau geschätzt. Das Gebäude stand kurz vor der Fertigstellung, als die Baufirmen im Februar abzogen. Der Grund dürfte in offenen Rechnungen nach der "mindestens" zweiten Mahnung liegen.
So wurde die Zeit reif für Umstrukturierung und Neuausrichtung bei der Endor AG und Fanatec, womit der Wirtschaftskrimi beginnt. Die erste Personalie lautet Matthias Kosch der am 1. November 2023 in den Vorstand der Endor AG berufen wurde. Zuvor war Kosch seit 2015 Direktor der Finanzen (CFO) bei der Münchner „Blue Cap AG“, einer kapitalmarktnotierter Beteiligungsgesellschaft. In einem zweiten Schritt folgte Ende März die Degradierung von Firmengründer und Mehrheitsaktionär Thomas Jackermeier. Er wurde als Geschäftsführer (CEO) angeblich auf Wunsch des Aufsichtsrats und der Banken abgesägt, damit bestehende Kreditvereinbarungen bis 30. Juni verlängert und nicht fällig werden. Der dritte Streich folgte am 15. April. Andreas Ruff wurde zu Jackermeiers Nachfolger bestellt. Dazu gestellt sich noch eine weitere Person: Tobias Hoffmann-Becking, als CEO der „Blue Cap AG“ ein guter Bekannter von Matthias Kosch, der mit amerikanischen Hendgefonds-Geldern Anfang 2024 die Birkenstein Capital gründete.
Mit all diesen Namen entwickelt sich nun eine durchaus dubiose Geschichte, die das Zeug zu einem Wirtschaftsskandal hat.
Matthias Kosch veröffentliche Anfang Februar als Finanzvorstand eine äußerst positive Prognose für die Endor AG mit einem deutlichen Umsatzplus von zehn bis 20 Millionen Euro für 2024 gegenüber 2023 und eine beträchtliche Gewinnsteigerung. Doch nun nimmt die unglaubliche Geschichte erst richtig an Fahrt auf.
Am 24. April verkündet Matthias Kosch einen Investorenprozess zur Rekapitalisierung. So wird ein „Investoreneinstieg mit Instrumenten nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) geprüft. „StaRUG“ lässt die Alarmglocken sämtlicher Aktionäre schrillen. Insbesondere bei Thomas Jackermeier der 50 Prozent Aktien, insgesamt 7.748.792 Stück hält. Bei „StaRUG“ kommt es nämlich nicht zu einer Insolvenz mit Insolvenzverwalter und so weiter, sondern der Aktienwert wird kurzer Hand auf Null gesetzt, anschließend der Wert der Firma neu ausgelotet und kann zu diesem Preis an einen Investor – auch an eine Hedgefonds-Heuschrecke - verkauft werden. Für die Aktionäre bedeutet das einen Komplettverlust.
Einen Tag später reagierte der abgesägte CEO Thomas Jackermeier mit einer hoch interessanten Pressemitteilung. Er hat Investoren gefunden und kündigt eine weitere Aktienausschüttung an. So stehen 25 Millionen Euro zu Verfügung, um die Endor AG mit weiterem Kapital auszustatten. Mit dieser Offerte positioniert sich Jackermeier ganz deutlich gegen das „StaRUG-Verfahren“. Gleichzeitig zeigt sein Engagement, dass er für Fanatec, die Endor AG und das Wohl der Aktionäre kämpft.
Der Firmensitz der Endor AG macht derzeit einen tristen Eindruck. Thomas Jackermeier will, so seine Veröffentlichungen, kein „StaRUG“ und keine Fremdübernahme zum Wohle der Endor-Aktionäre, entgegen den Plänen des derzeitigen CEO Tobias Kosch.
Tobias Kosch reagierte prompt nur einen Tag später. Anstatt sich über Jackermeiers Offerte zu freuen, schreibt er: Nach wie vor werden unabhängig von den Angeboten der Investoren verschiedene Optionen geprüft … ebenso ein Investoreneinstieg nach „StaRUG“. Das lässt sich auch als klare Absage an das Angebot von Thomas Jackermeier werten, Endor wieder liquide zu machen. Kosch hält an „StaRUG“ und der Aktionärsenteignung fest. Eigentlich sollte Kosch auch in einer Krisensituation den Aktionären gegenüber verpflichtet sein.
Jetzt kommt die Birkenstein Capital, mit dem als Hedgefonds bekannte US-Investor Davidson Kempner im Hintergrund ins Spiel. Die Birkenstein Capital hat mit CEO Tobias Hoffmann-Becking und Tobias-Kosch-Spezl den kreditgebenden Banken eine Offerte vorgelegt, die ENDOR AG zu übernehmen. Banken müssten dadurch auf einen signifikanten Anteil ihrer geliehenen Gelder, die Aktionäre bei einer Birkenstein-Übernehme auf ihre Anteile verzichten. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) spricht es nun ganz offen aus: „Tobias Kosch gehört sein Mandat entzogen.“ Es darf auch nicht das Ziel sein, dass „StaRUG“ zur Enteignung des deutschen Mittelstands führt“, so die SdK. Die Schutzgemeinschaft appeliert an die Banken gegenüber dem Endor-Vorstand hellhörig zu sein und fordert zeitnah die Einberufung einer Hauptversammlung.
Um das „StaRUG“-Damoklesschwert abzuwenden, hat sich vor gut einer Woche abermals Thomas Jackermeier zu Wort gemeldet: Er schreibt, „Birkenstein/Davidson&Kempner will mich auch nach der Enteignung der Aktionäre ans Unternehmen binden. Sie haben mir daher erst in der letzten Woche ein sehr attraktives Angebot gemacht … Birkenstein/Davidson&Kempner gehen nach eigener Planung im Jahr 2028 von folgendem Ergebnis aus. In 2028 soll die Firma weiterverkauft werden bei einem Umsatz von 280 Millionen Euro und einem Unternehmenswert von 1,2 Milliarden Euro.
Wie diese Zahlen zustande kommen, lässt sich nicht wirklich nach vollziehen. Börsenexperten zweifeln stark an deren Realität und bezeichnen sie als reine Phantasie. Derzeit wird der Wert der Endor AG auf rund 10 Millionen Euro taxiert. Wie sich der Wert in den nächsten vier Jahren auf sagenumwobene 1,2 Milliarden Euro steigern lässt, wissen wohl nur die Propheten.
Thomas Jackermeier schreibt weiter: „Dem Management und mir wurden bis zu 20 Prozent „sweet equity“ (anreizorientierten Vergütung) versprochen. Mein Anteil soll bei 10 Prozent liegen. Je nach EBITDA multiple haben sie mir und dem Management vorgerechnet, dass bei einem Exit diese Anteile einen Wert von bis zu 423 Millionen Euro haben. Ich habe dieses durchaus lukrative Angebot bereits in aller Deutlichkeit abgelehnt. Es entspricht nicht meinen Wertvorstellungen, sich auf diese Weise zu Lasten anderer zu bereichern. Da bin ich einfach anders erzogen worden und glaube an nachhaltiges Handeln. Durch „StaRUG“ werden nicht nur alle Groß- und Kleinaktionäre enteignet, sondern auch viele Kunden und Fans, welche sich Aktien gekauft haben, weil sie von der Marke begeistert sind. StaRUG wird zu einem erheblichen Imageschaden führen und es würde (zu Recht) eine große Welle auf Social Media gegen Fanatec und auch gegen alle Profiteure der neuen Firma geben. Diese Lösung erfordert Vertrauen und mein Vertrauen ist bei 0 Prozent. Ich werde, anders als die Banken (wenn sie StaRUG zustimmen) nicht dazu beitragen, die Firma nachhaltig zu schädigen.“
Das Klebeschild auf dem Endor-Briefkasten in der E.ON-Allee 3 verweist auf eine Adresse in Ergolding. Eine Landshuter Straße samt Postleitzahl 84030 gibt es in Landshut nicht.
Ein weiterer Vorfall stößt Thomas Jackermeier auf: „Der Fuhrparkleiter wurde unter Androhung von arbeitsrechtlichen und sogar strafrechtlichen Konsequenzen aufgefordert, den Transponder zu einer Halle herauszugeben, wo übergangsweise bis zum Bezug der neuen Räumlichkeiten Teile des Fuhrparks gelagert sind. Diese Halle ist von mir gemietet und ich habe der Firma angeboten, die Fahrzeuge kostenlos zu lagern bis zum Einzug in die neue Firma. Es befindet sich auch privates Eigentum in dieser Halle. Dem Vorstand/Management war dabei voll bewusst, dass dieser Transponder auch Zugang zu meinem Privathaus und zu einem weiteren Haus mit meinem privaten Büro ermöglicht.“
Dass es der Endor- und Fanatec-Gründer ernst meint sein Unternehmen zum Wohle der Aktionäre zu retten, zeigt sich in einer Mitteilung von Thomas Jackermeier vom 6. Mai: So hat die Investorengruppe um Gründer, Großaktionär und den ehemaligen CEO der Endor AG, Thomas Jackermeier, in einem offenen Brief an die kreditgebenden Banken und den Aufsichtsrat der Endor AG ihr Finanzierungsangebot deutlich auf zusammen 48,439 Millionen Euro erhöht. Zugleich fordert die Gruppe, dass der CEO und der CFO der Endor AG (Tobias Kosch) abberufen wird und zwei Aufsichtsratsmitglieder ihre Mandate niederlegen.
48,439 Millionen Euro – kein schlechtes Angebot möchte man meinen, um Endor und Fanatec als Landshuter Unternehmen zu erhalten, anstatt es an einen Investor zu verkaufen. Doch CEO Tobias Kosch will seinen Weg der Kapitalenteignung fortsetzen. Am 8. Mai, einen Tag vor Christi Himmelfahrt, verkündigte er es in klaren Worten: „Teil des Restrukturierungsplans ist ein teilweiser Verzicht der Banken und eine vollständige Kapitalherabsetzung, die zu einem entschädigungslosen Ausscheiden der derzeitigen Aktionäre aus dem Unternehmen und zu einem Delisting der Endor AG-Aktien vom Open Market führen würde.“
Tobias Kosch setzt stur auf „StaRUG“ und, wie die Wirtschaftswoche schreibt, steht Kosch für exklusive Verhandlungen mit dem US-Mitbewerber Corsair der die Endor AG übernehmen könnte. Corsair gehört mit einem Umsatz von rund 1,9 Milliarden US-Dollar und ca. 2.500 Mitarbeitern zu den führenden und größten Gaming-Hardware-Herstellern weltweit. Endor teilt mit, dass schon Ende Mai die Unterzeichnung einer verbindlichen Vereinbarung mit Corsair angestrebt und zeitnah beim Restrukturierungsgericht in München eingereicht wird. Wenn das Gericht zustimmt, wird Corsair das Landshuter Unternehmen nach einer vollständigen Kapitalherabsetzung komplett übernehmen.
Das heißt, Endor-Aktionäre können ihre Aktien in den Wind schießen, in den Gulli werfen oder sie sich sonst wo hin stecken. Gleichzeitig verliert Thomas Jackermeier alles, was er aufgebaut hat und für was er heute kämpft wie ein Stier. Er wäre der totale Gelackmeierte bei diesem Szenario. Sein Lebenswerk löst sich für ihn in Luft auf, die Endor AG verschwindet vom Markt.
Jetzt bleibt abzuwarten, ob sich Tobias Kosch mit seinem Plan durchsetzt, die Endor AG aufzulösen und wie Thomas Jackermeier, die Banken, die Aktionäre und deren Schutzgemeinschaft reagieren werden.